Die Geschichte eines 12-Zylinders der Sonderklasse

Von Steffen Korbach am 2 - August - 2006  NEWS ALERT ABO

Maybach – welch ein Markenname, welch eine Tradition. Aktuell gibt es keine großen Neuigkeiten. DaimlerChrysler erwägt zwar trotz oder wegen schwacher Absatzzahlen, eine kleinere Maybach-Version als Gegner für Bentley Continental Flying Spur und Co. auf den Markt zu bringen. Aber außer der grandiosen Studie „Exelero“ mit Partner Fulda gab es lange keine Bonbons.

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Grund genug, sich die angesprochenen Tradition vor Augen zu halten, sich die Legende Zeppelin DS 8 und die Geschichte Maybachs genauer anzuschauen. Die Parallele von damals zu heute ist einfach: Bei Maybach hatten die Käufer damals wie heute nahezu alle Wahlmöglichkeiten, um ihr Fahrzeug den individuellen Ansprüchen und ihrem persönlichen Stil gemäß karossieren zu lassen.

Der Typ „Zeppelin“ ist einer der berühmtesten Vertreter im Reigen internationaler Luxus-Automobile der dreißiger Jahre. Ein mächtiger 12-Zylinder-Wagen, der im vorigen Jahrhundert in zahlreichen Varianten von 1930 – 1937 gebaut wurde. Ein Testbericht der Zeit schwärmt: “… die Maybach-Zeppelin-Modelle gehören zu den wenigen Fabrikaten der internationalen Sonderklasse. Sie sind großer Luxus, mit technischer Verschwendung ausgestattet und nur wenigen Auserwählten greifbar; wie auch die Serien klein sind, in denen diese prächtigen Wagen gebaut werden.”

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So furios berichtete 1933 die „Allgemeine Automobilzeitung“ in ihrer Ausgabe Nr. 35. Der Zeppelin DS 8, Baujahr 1932, heute im Besitz des Mercedes-Benz Museums, ist eines dieser Luxus-Automobile. Sein von der Firma Spohn in Ravensburg maßgeschneiderter Aufbau, ein viertüriges, sechs- bis siebensitziges Cabriolet mit unendlich viel Platz zum Wohlfühlen in den bequemen Ledersesseln, ist vollständig restauriert. Der einwandfrei laufende 8-Liter V12-Motor ist eine Augenweide für sich und besticht durch die souveräne Leistungsentfaltung seiner 200 PS bei höchstens 3.200 Umdrehungen. Ein Ausbund an Geschmeidigkeit – 170 Stundenkilometer schnell, Chassis-Nummer 1387. Preis damals: 30.000,- Reichsmark, was heute ungefähr 30 Kleinwagen der Marke Volkswagen bedeuten würde. Dafür erhielt der Käufer den damals größten deutschen Wagen. Mit Ausstattungsoptionen, die andere Herstellern zu dieser Zeit nie erreichten.

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Die Fahreigenschaften begeistern noch heute. Der lange Radstand von 3.735 Millimetern und das hohe Gewicht lassen den Wagen mit den an langen Halbelliptikfedern aufgehängten Starrachsen geradezu leichtfüßig dahin gleiten. Für zusätzlichen Komfort sorgen hydraulische, doppelt wirkende Stoßdämpfer. Zum Anfahren wird zwar noch die Kupplung benötigt, ansonsten bedient der Fahrer nur zwei kleine Hebel in der Lenkradmitte, um die vier Gänge des Planetenrad-Getriebes zu schalten. Ohne kuppeln – eine Offenbarung. Leerlauf, 1a-Gang oder Rückwärtsgang werden mit dem Vorwahl-Handhebel in der Wagenmitte eingelegt. Die Schraubenlenkung, ohne Servohilfe, ist im Verhältnis zu den reichlich drei Tonnen Lebendgewicht dieses herrschaftlichen Automobils erstaunlich leichtgängig, und die via Seilzug betätigten riesigen Trommelbremsen verzögern dank eines ausgeklügelten Hebelsystems gleichmäßig und gut. Der Kraftaufwand zu ihrer Bedienung ist durch die Unterdruck-Servounterstützung vergleichsweise gering.

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Dem Fahrer bietet sich ein Panorama besonderer Art. Vor seinen Augen streckt sich die mächtige Motorhaube mit dem Markenzeichen Maybachs, den doppelten, in einem Bogendreieck senkrecht verwobenen “MM” (Maybach Motorenbau) auf dem charakteristischen Kühler. Links und rechts davon die glänzenden Gehäuse der Scheinwerfer und die Wölbung der Kotflügel, Begrenzung und Wegweiser in einem. Majestätisch der in großen goldfarbenen Buchstaben auf dem Querbügel zwischen den Scheinwerfern thronende Schriftzug “Zeppelin” und der goldene Kranz mit der „12“ darin unterhalb der Kühlerfigur.

Imposant das gut bestückte Armaturenbrett: Kilometerzähler, Geschwindigkeitsmesser, Benzinuhr für den 135-Liter Tank, 8-Tage Uhr, Kühlwasser-Temperaturanzeige, Ölmanometer, Vakuummeter zur Servobremse, Anlass-Einspritzvorrichtung, Anlass-Druckknopf, Handgas- und Starterklappenbetätigung, Instrumenten-Beleuchtung. Zur weiteren Ausstattung gehören zwei Reserveräder, Bosch-Horn, Scheinwerfer, Stopp- und Rückfahrlicht, Schlusslampe, vier eingebaute Wagenheber sowie ein kleiner Kompressor zum Aufpumpen der Reifen.

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Wilhelm Maybach, Mitarbeiter und Freund Gottlieb Daimlers und unvergessener Konstrukteur des Mercedes, „dem ersten richtigen Auto“, verlässt 1907 die Daimler-Motoren-Gesellschaft, der er bis dato als technischer Direktor gedient hatte. Zusammen mit seinem Sohn Karl entwickelt er eigene Motoren, die sich seiner Meinung nach exzellent für den Antrieb der eben am Himmel erscheinenden Luftschiffe eignen. Er nimmt Verbindung mit dem Grafen Zeppelin auf, überzeugt ihn von seinen Motoren und gründet zusammen mit ihm 1909 die “Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH” in Bissingen bei Stuttgart, deren technischer Direktor sein Sohn Karl wird. 1912 übersiedelt die Firma nach Friedrichshafen, direkt neben den Luftschiffbau des Grafen Zeppelin. Ein frühes Joint-Venture. Bis etwa 1920 unterstützt Wilhelm Maybach seinen Sohn Karl maßgeblich bei dessen Entwicklungen, die über Jahrzehnte hinweg Benzin- und Dieselmotoren sowie Getriebe höchster Qualität und Fortschrittlichkeit hervorbringen.

1921 beginnt Karl Maybach in Friedrichshafen mit dem Bau eigener Automobile: Rahmen, Fahrwerk, Motor, Getriebe, Kühler, Spritzwand und Aggregate, fahrbereit zusammengebaut. Für die Aufbauten sind Karosseriebaufirmen zuständig, die sich ihrerseits den Wünschen der Kunden anpassen. Mit der im benachbarten Ravensburg ansässigen Karosseriebaufirma Herrmann Spohn kommt es im Laufe der Jahre zu enger Zusammenarbeit, ja sogar zu einer Art Serienbau in kleinster Stückzahl, jedoch muss sich Spohn stets mit anderen Karosseriebauern wie Gläser in Dresden, Auer in Stuttgart, Neuss und Erdmann & Rossi in Berlin sowie anderen den Kuchen teilen.

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Dank ihrer herausragenden Technik, der geschmeidigen Motoren und der den Kundenwünschen entsprechenden hochwertigen Ausstattung der handgearbeiteten Aufbauten, als Limousinen, als voluminöse Pullmans, als zwei- bis siebensitzige Coupés, Cabrios und Roadster, etablieren sich die exklusiven Maybach-Wagen sehr schnell auf dem Weltmarkt. Sie stehen in direkter Konkurrenz zum “Großen Mercedes”, zu Rolls-Royce, Bentley, Isotta-Fraschini und anderen. Nach Meinung mancher Zeitgenossen sogar darüber. Eine Legende war geboren.

Vollsynchronisierte Getriebe, wie sie heute selbstverständlich sind, waren noch zu Beginn der dreißiger Jahre weitgehend unbekannt. Geschaltet wurde mit Doppelkuppeln beim Heraufschalten und Zwischengas beim Herunterschalten. Diese für manche Autofahrer nur schwer zu erlernende Technik wollte Maybach seinen Kunden ersparen und entwickelte daher ein sehr kompaktes Getriebe, dessen schräg geschliffene Zahnräder ständig im Eingriff waren. Geschaltet wurde ohne Kuppeln, außer beim Anfahren, beim Halten oder Rückwärtsfahren.

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Ein Marketingzeuge der Vergangenheit, ein Prospekt aus dem Jahre 1934, gibt Auskunft über die Entstehung des Namens Zeppelin für die Spitzentypen der Marke Maybach: „Die Typenbezeichnung Zeppelin wurde gewählt, um auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen, dass der 12-Zylinder-Maybach auf Grund der Erfahrung mit den Maybach-Zeppelin-Luftschiffmotoren konstruiert ist. Ein Name als Symbol für die Grundsätze, nach denen Maybach-Wagen gebaut werden: Nur Bestes aus Bestem zu schaffen, von dauerndem Wert, in höchster Vollendungsform neuen Entstehens. … Als Verkörperung des hochwertigen Reise- und Repräsentationswagens – wie als rassiger Typ für den passionierten Sportsmann – ist der “Maybach-Zeppelin” das Automobil letzter Wunscherfüllung mit ausgeprägtem Charakter von vornehmster Eleganz und Kraft.“

Jedes dieser Fahrzeuge ist als Einzelstück zu bezeichnen, da die unterschiedlichen Kundenwünsche im Vordergrund standen und bei der Produktion mit einbezogen wurden. Die Zeppelin-DS-Modelle gab es als Typ DS 7 und DS 8. Vorläufer war 1929 der Zeppelin Typ 12. Insgesamt wurden von diesen Modellen rund 300 Autos gebaut. Und damit steht die Verbindung zu heute: Sowohl bei den Kundenwünschen, als auch bei den mehr als exklusiven Absatzzahlen.

Ich bin gespannt auf neue Bonbons der Sonderklasse.

Web: maybach-manufaktur.com

Fotos: DaimlerChrysler

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