Berlin (ots) – Mit etwa 450.000 Krebsneuerkrankungen und über 210.000 Todesfällen pro Jahr alleine in Deutschland ist die Früherkennung, Diagnose, Behandlung und Prävention von Krebsleiden eine der größten Herausforderungen in der Gesundheitsforschung. Um diese zu meistern, müssen die Kräfte in der Krebsforschung weiter gebündelt werden. Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) wird sich dieser Aufgabe widmen. Sein Aufbau soll maßgeblich dazu beitragen, die translationale Krebsforschung zur internationalen Spitze zu führen. Etabliert wurde es auch auf Initiative des Bundesforschungsministeriums. Am 18. Oktober 2012 ist das Konsortium gegründet worden. Die feierliche Eröffnung findet am 29. Oktober 2012 durch Bundesforschungsministerin Annette Schavan statt.

Unterdessen haben Ärzte des Berliner Universitätsklinikums Charité zusammen mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern verschiedener Unternehmen und Institutionen ein Verfahren entwickelt, mit dem die Nebenwirkungen einer Chemotherapie gelindert werden können. „Die Patienten leben länger und müssen weniger leiden“, sagte Charité-Professor Jürgen Lademann im Gespräch mit BMBF-online, der Internetsseite des Bundesforschungsministeriums. Das Verbundforschungsprojekt wurde vom Bundesforschungsministerium mit vier Millionen Euro gefördert. Mehr als die Hälfte aller Krebspatienten in Europa bekommt eine Chemotherapie. Dabei kommt es oft zu schweren Schädigungen der Haut, dem sogenannten Hand- und Fußsyndrom. Ein neues Lasergerät und eine Salbe helfen nun, diese Nebenwirkung zu lindern. „Die Biophotonik gehört zu den Zukunftsfeldern, in denen hochqualifizierte neue Arbeitsplätze entstehen und deutliche Verbesserungen für das Leben der Menschen zu erwarten sind“, sagte Lademann BMBF-online.

Interview mit Professor Dr. Jürgen Lademann, Dermatologe am Universitätsklinikum Charité in Berlin, für BMBF-online

BMBF-online: Professor Lademann, Sie sind Dermatologe am Universitätsklinikum Charité in Berlin. Zusammen mit ihren Kollegen erforschen Sie die Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten. Wo genau liegt die Schwierigkeit?

Professor Lademann: Wir Ärzte verfügen ja inzwischen über sehr effektive Waffen im Kampf gegen den Krebs: vor allem moderne, hochwirksame Chemotherapeutika. Mehr als die Hälfte aller Krebspatienten in Europa bekommt eine Chemotherapie – also Medikamente, die Krebszellen im Körper zerstören. Leider kommt es bei diesen Mitteln oft zu teils schweren Nebenwirkungen. Dazu zählen nicht nur Schädigungen im Darm oder an den Haarwurzelzellen sondern auch sehr schmerzhafte wunde Stellen an der Haut. Besonders häufig treten diese Veränderungen an den Hand- und Fußflächen auf, wir nennen das das Hand- und Fuß-Syndrom. Oftmals führte das zum Abbruch der gesamten Chemotherapie, denn bisher war kaum bekannt, warum es zu dieser Reaktion kommt und wie man sie heilen kann.

BMBF-online: Was haben Sie nun herausgefunden?

Professor Lademann: Wir konnten den Mechanismus des Hand- und Fußsyndroms aufklären und sogar eine Präventionsstrategie dagegen entwickeln! Gelungen ist uns das im Rahmen des Verbundforschungsprojekts „Chemoprävent“, bei dem wir Mediziner mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren verschiedener Institutionen und Unternehmen eng zusammenarbeiten und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit vier Millionen Euro unterstützt wird – das sind zwei Drittel der gesamten Kosten. Das Projekt „Chemoprävent“ zeigt deutlich, wie Mediziner, Ingenieure und Naturwissenschaftler gemeinsam Innovationen auf dem Gebiet der optischen Technologien hervorbringen können, mit denen sich Erkenntnisse gewinnen lassen, die letztendlich dem Patienten zu Gute kommen.

BMBF-online: Sie sprechen von der Biophotonik, von der Erforschung optischer Lösungen für die Medizin. Wie hilft die konkret gegen die Nebenwirkungen der Chemotherapie?

Professor Lademann: Uns ist es gelungen, zwei laserbasierte bildgebende Verfahren zu kombinieren. So konnten erstmals die chemischen Prozesse unter der Haut verfolgt und aufgeklärt werden. Wir schicken, kurz gesagt, Licht unter die Haut. Das neue Gerät, der Lasertomograph, ist international einzigartig und ermöglicht eine Darstellung der unterschiedlichen zellulären Strukturen der Haut. Zudem analysiert er sie chemisch. Und zwar mittels der sogenannten nicht-linearen Raman-Spektroskopie und der Multi-Photonen-Tomographie. Die Raman-Spektroskopie macht es möglich, kleine Mengen pharmazeutisch aktiver Substanzen in Zellen zu identifizieren. Dazu werden diese mit einem Laserstrahl in höhere Schwingungszustände versetzt, anhand der Auswertung des Schwingungsmusters kann dann ein molekularer Fingerabdruck der chemischen Substanzen gewonnen werden. Entwickelt wurde dieses neue Gerät, der „Multiphotonen/CARS-Tomograph“, von Mitarbeitern der JenLab GmbH und des Instituts für Photonische Technologien in Jena. Die Toptica Photonics AG in München entwickelt nun eine Laserquelle für den Routineeinsatz der Technologie im klinischen Alltag. Mit diesem nicht invasiven Verfahren können wir Ärzte nun in Echtzeit die Anreicherung der Krebsmedikamente an bestimmten Stellen des Körpers sowie in der Haut untersuchen. Das ist ein großer Fortschritt und ermöglicht neue Entwicklungen: Wir wollen dieses neue Gerät nun auch zur Erforschung von anderen Hautprozessen, beispielsweise in der Reaktion auf Kosmetika, einsetzen. Untersuchungen dazu laufen nach Abschluss des Hauptprojektes weiter.

BMBF-online: Wie kommt es eigentlich zu den Nebenwirkungen bei der Chemotherapie?

Professor Lademann: Die Wirkstoffe der Medikamente treten mit dem Schweiß aus dem Körper aus. Stellen, an denen man stark transpiriert und die dicke äußere Hautschichten aufweisen, wie die Hand und Fußballen, sind besonders betroffen. Die verhornten Hautschichten wirken wie ein Schwamm und reichern die ausgetretenen Wirkstoffe an. Freie Radikale können dann die Hautbarriere zerstören und überwinden. Es kommt zu starken Entzündungsreaktionen. Zusammen mit der Bioskin GmbH in Berlin konnten wir nun erste klinische Tests machen, die zeigen, dass eine Behandlung der Stellen mit einer sogenannten Antioxidantien-Salbe dem Auftreten des Hand- und Fuß-Syndroms vorbeugt. Erfreulicherweise hat die Firma medac Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH diese Idee aufgegriffen und eine Präventionssalbe Anfang des Jahres auf den Markt gebracht. In unserer Klinik verwenden wir sie schon regelmäßig. Die Patienten leben länger und müssen weniger leiden.

BMBF-online: Wie wichtig ist die Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung?

Professor Lademann: Sehr wichtig, denn das Projekt war Teil der Förderinitiative im Bereich der Optischen Technologien. Das BMBF unterstützt damit die Erforschung optischer Lösungen für Medizin und Lebenswissenschaften. Denn die Biophotonik gehört zu den Zukunftsfeldern, in denen hochqualifizierte neue Arbeitsplätze entstehen und deutliche Verbesserungen für das Leben der Menschen zu erwarten sind. Die Förderinitiative hilft, die sehr gute Position deutscher Hersteller auf diesem Markt auch künftig zu halten und auszubauen. In unserem konkreten Fall führten die Ergebnisse zum Beispiel zu einer Entwicklung eines neuen Produktes, einer Salbe, die nach Projektabschluss auch noch in den Markt eingeführt werden konnte. Und nicht zuletzt werden durch unser Projekt die Kosten im Gesundheitswesen gesenkt, die in Zusammenhang mit der Behandlung der Nebenwirkungen bisher anfielen.

Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.dkfz.de/de/dktk/index.html und http://www.bmbf.de/de/20347.php

Pressekontakt:

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Strategische Kommunikation; Internationale Presse
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Tel: 030 / 1857-5491
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Tel: 02 11 7 62 14 -6 64
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